Baum zur Guten Hoffnung (Archiv)

DE-Der Baum zur Guten Hoffnung auf Reisen

März 2022

Der «Baum zur Guten Hoffnung» auf Reisen

Die Kunstaktion von Vera Staub lädt zum Nachdenken über Ohnmacht und Hoffnung in schwierigen Zeiten ein.

Aus einer gewissen Distanz erscheint jeder «Baum zur Guten Hoffnung» wie ein Hinweis auf ein Gartenfest. Die verschiedenen Farbtupfer erinnern an Ballone; Hoffnung scheint also zunächst assoziiert mit Ausgelassenheit, Freude, Jubel. Das überrascht, denn angesichts der weltpolitischen Lage mögen vielen Leuten solch überschwängliche Gefühle zunehmend fremd erscheinen.

Wer jedoch einen solchen von Vera Staub geschmückten Baum näher betrachtet, erkennt, dass es sich bei den vermeintlichen farbigen Ballons in Wahrheit um neun Nachbildungen schwangerer Bäuche aus Epoxy handelt. Sie weisen unterschiedliche Formen, Grössen und Positionen auf, gemeinsam ist ihnen aber, dass sie hohl bzw. leer sind. Die Entstehung von etwas Neuem stellt hier sogleich auch die Frage nach seiner konkreten Ausgestaltung: Was genau in jedem dieser Bäuche heranwächst, bleibt offen.

Die Installation schliesst an frühere Arbeiten der Künstlerin an, in welchen «Schwangerkeit» als menschliche Grunderfahrung dargestellt wird: Eine Person, die «Guter Hoffnung» ist, ist konfrontiert mit dem Potenzial, das in ihr steckt, ebenso wie mit dem Grenzen ihrer eignen Einflussmöglichkeiten - eine Schwangerschaft ist ein kreativer Prozess und zugleich auch die Erfahrung eines Kontrollverlust. Dass die verschiedenen Schwangerschaften in einem Baum platziert wurden, lässt biblische Bezüge erahnen – der Baum des Lebens aus der Schöpfungsgeschichte drängt sich auf -, lässt aber auch allgemeine Fragen zum Zusammenhang von Leben und Vergänglichkeit, menschlichen Zeitdimensionen und Natur aufkommen.

Der Aktualitätsbezug dieses Werks ist demnach vor allem auch darin begründet, wie sie eine gegenwärtig weit verbreitete Gefühlslage von Verunsicherung und bisweilen Hilflosigkeit aufnimmt und als menschliche Konstanten ausweist. Das Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, wird von seiner isolierenden Wirkung befreit und als etwas alle Menschen Verbindendes ausgewiesen.

In der Kunstaktion von Vera Staub wird dieser Gedanke nun auf eine virtuelle Reise geschickt und dadurch seine Universalität weiter betont - sie versetzt ihre schwangeren Bäuche zeichnerisch auf Bäume in aller Welt.

Die Kunstaktion lädt somit dazu ein, intensive Gefühle von Ohnmacht und Verunsicherung anzunehmen und diesen nachzuspüren. Hoffnung, so wird hier deutlich, ist nicht gleichbedeutend mit einer naiven Überzeugung, dass nichts schief gehen kann, oder einer Verleugnung von offenkundigen Realitäten – sie ist kompatibel mit Angst und Verunsicherung. Symbolisiert im «Baum der Guten Hoffnung» ist die Einsicht, dass es manchmal gerade das Akzeptieren solcher Gefühle sein kann, das uns voranbringt. Oder, wie Martin Luther angeblich sagte: «Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen».